Wie die Marke Puch zum Kult wurde
Slow Riding Culture made in Austria
Ein Plädoyer für das Kulturgut Töffli
Der Begriff „Kult“ wird heute fast schon inflationär benutzt. Und doch begegnet uns fast täglich wirklich „Kultiges“. Beim Auto sind das unzweifelhaft Volkswagens Käfer, Renaults R4 oder Fiats Modell 500. Im Film gehören Monty Pythons Filme zu den Kultstreifen britischen Humors. Zur Kultur der Schweiz gehört das Töffli. Die Sackgeldverdunsterli der Töfflibuebe und Töfflimeitlis prägten die eidgenössische Jugendkultur, von den 1960ern bis in die 90er-Jahre – vielleicht noch stärker als in anderen europäischen Ländern. Um zu verstehen, warum auch die Puch-Töfflis ein fester Bestandteil dieses Kults sind, hilft es, sich auf Spurensuche in die Vergangenheit zu begeben.
Zweiräder machen die Marke zur Kult-Marke
Über die Geschichte der Marke Puch haben wir in unserem Magazin schon berichtet. Blicken wir also auf die Fahrzeuge, die der später Steyr-Daimler-Puch genannte Hersteller entwickelte. Österreichs zeitweise grösstes Industrieunternehmen spielte ganz oben mit. In der Autosparte gehörten Grössen wie Ferdinand Porsche oder Hans Ledwinka zu den Konstrukteuren. Doch das reichte nicht, um die Marke zur Kultmarke reifen zu lassen. Modelle wie der Steyr 50 („Steyr-Baby“) galten zwar als „Austro-Volkswagen“ und fanden grossen Absatz. Auch Fiat-Lizenzmodelle, allen voran der Cinquecento-Klon Steyr-Puch 500, wurden sehr erfolgreich, aber damit wurde die Marke nicht zum Kult. Auch nicht mit den LKW und Militärfahrzeugen, trotz so erfolgreicher Modelle wie dem Haflinger, dem Pinzgauer oder dem Steyr 91. Zum Kult wurde die Marke erst durch ihre motorisierten Zweiräder. Den Grundstein dafür legte ein Motorrad. Noch vor dem zweiten Weltkrieg.
Bescheidene Anfänge und der Durchbruch zur Motorrad-Marke
1931 lancierte der österreichische Hersteller ein Motorrad, das als robust und sparsam in die Geschichte eingehen sollte, das Modell Puch500, nicht zu verwechseln mit dem oben erwähnten Fiat-Lizenzmodell. Der innovative Zweitakt-Doppelkolben-Motor leistete 14 PS, der 500 war sehr gut für den Seitenwagenbetrieb geeignet. Genau das Richtige für die Gebirgsstrassen der österreichischen Alpenrepublik. Bis 1938 entstanden 4.529 Einheiten. Nach dem Krieg konnte man mit dem 12 PS starken 250TF an den Erfolg anknüpfen, zwischen 1948 und 1954 verkaufte der Konzern 59.601 der robusten 250er-Maschine. Aber auch bei den Kleinstmotorrädern, oder auch Fahrrädern mit Hilfsmotor, konnte der österreichische Hersteller Erfolge verzeichnen. Schon 1908 debütierte die „Kolibri“, ein Einzylinder-Zweitakter. Sie ragt besonders heraus, weil Experten in ihr den Wegbereiter zur Volksmotorisierung sehen. Nicht ganz zu Unrecht, denn das Auto war von jeher ein Spielzeug für die Reichen oder zumindest besser gestellten Personen. So richtig Fahrt nahm das Auto erst in den Wirtschaftswunder-Jahren nach dem zweiten Weltkrieg auf. Bis dahin bewegten die zweirädrigen Motorfahrzeuge die Massen.
Styriette, Daisy, Stangl-Puch: Sie und ihre Nachfolger reifen zum Kulturgut
1938 präsentierte das Unternehmen den Styriette, das erste Einkolben-Zweitakt-Gefährt der Marke. In der Literatur tut man sich mit einer eindeutigen Benennung schwer, es kursieren Bezeichnungen wie „Volksmotorrad“ oder „Motor-Velo“. Kein Wunder, Begrifflichkeiten wie Mofa werden erst später von den Behörden und Ministerien erfunden. Wie dem auch sei, das Modell Styriette war mit einem Motor ausgerüstet, der über 60,3 cm³ Hubraum verfügte und 1,3 PS leistet. Das Styriette war eher ein „Motor-Velo“, schon rein optisch. Und es gab eine Damen- und Herren-Version des urzeitlichen Töffli. 1954 erschien dann das Zweirad, das erstmals als Mofa bezeichnet wurde. Die Klassifizierung in Velo mit Hilfsmotor, Mofa, Mokick, und andere, wurde in den meisten Staaten erst in den frühen 1950ern eingeführt. Das MS 50-Modell, sollte bis 1982 gebaut werden, also 28 lange Jahre. Das Styriette ist damit bis heute das meistgebaute Mofa der Welt. Er war vielseitig einsetzbar, vor allem die österreichische Post hatte etliche Maschinen in Betrieb, was dem Fahrzeug auch den Spitznamen „Postfrosch“ einbrachte. Auch „Maurerbock“ oder „Maurersachs“ waren geläufige Spitznamen. Legendär wurde der Styriette aber unter dem Namen Stangl-Puch. Diese Bezeichnung verdankte er der Mittelstange, in Österreich „Stangl“ genannt. Mit diesem Modell rückte der Konzern ein Stück weiter an den Kultstatus heran.
Das Töffli macht die Marke endgültig zum Zweirad-Kult
Natürlich denkt man bei den Stichworten „Puch-Werke“ und „Mofa“ auch an den Pionier MC50 oder an den Racing25 (ein Typ N50), dessen auffälligstes Merkmal ein Hintermayr-Vergaser sein dürfte. Aber eben nur „auch“. Denn zuerst fallen einem die Modelle Maxi und X 30 ein. Spätestens mit diesen Töfflis erreichte der österreichische Hersteller Kultstatus und wurde zur Zweirad-Legende. Das Modell X 30 wurde 1962 eigens für den Schweizer Markt entwickelt, das Schwester-Modell Maxi folgte 1969. Das X30-Töffli war und ist so etwas wie Mofa-Gold. Er wurde schon früher nur selten verkauft und ist deswegen heute eine echte Rarität.
Wegen des relativ hohen Preises, vor allem in der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland, griffen die Kunden lieber zum Maxi. Dennoch, in der Schweiz dürften die meisten überlebt haben, obwohl viele bei Fahrten durchs Gelände verschlissen wurden. Denn dafür ist das Modell X30, seiner Robustheit wegen, hervorragend geeignet. Auch heute noch ist der X 30-Hobel bei Freunden des gepflegten Tunings sehr begehrt. Der Velux Z50-Motor (bei der Fahrtwindgekühlten Version), beziehungsweise ZA50-Motor (mit Gebläsekühlung), leistete 1,2 PS bei 3.000 U/min. Gerade die frühen Modelle gelten als die blaue Töffli-Mauritius, quasi nicht mehr existent. Daher ist es eher schwierig, Originalersatzteile aufzutreiben. Bei dem Maxi-Töffli ist es vergleichsweise einfach, Originalersatzteile zu finden, denn dieses Modell war Dank des Preisgefüges erschwinglicher.
Kulturgut der Marke Puch
Ohne diese Marke wäre die Welt der Töfflis ärmer. Neben Piaggio, Zündapp und Pony und anderen Marken, sind die Töfflis des österreichischen Herstellers heute echtes Kulturgut. Leider wurde die Mofa-Sparte im Jahr 1987 an Piaggio verkauft, aber die Modelle blieben im kollektiven Gedächtnis und in so mancher Garage. Heute erinnert sich mancher Mitt-Fünfziger an seine Jugend. Wie er mit dem Erwerb eines Stangl-Puch oder eines X30, eines Daisy, MS 50 oder eines Maxi ein Stückchen Freiheit und Unabhängigkeit erlangte. Wie er mit dem Hobel über die Strassen heizte, wie er sein letztes Sackgeld in Ersatzteile investierte und wie er sein Töfflimeitli stolz mit seinem Hödi abholte. Neue Töfflis verkaufen sich zwar und sind durchaus ansehnlich. Allerdings reichen nur wenige an die Schönheit der alten Hobel heran.
_________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Bildquellen:
Steyr-Puch 500 DL, Baujahr 1961: © Dnalor 01 – Wikipedia auf Deutsch (CC BY-SA 3.0 at) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/
Puch „Styriette“ von 1938: @Martin Krusche – Wikipedia auf Deutsch (CC BY-SA 3.0 de) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/
Puch X30 NL: Marco für https://www.mofainserate.ch/
Weitere lässige Artikel
Puch X30: ein legendäres Töffli
Vintage-Look Töfflis